Hannes Wipf, 29. Juli 2022
Arbeiten im Teilzeitpensum erfreut sich in der Schweiz grosser Beliebtheit. 37% der Schweizer Erwerbstätigen arbeiten nicht Voll-, sondern Teilzeit. Im europäischen Vergleich liegen wir damit auf Platz zwei gleich hinter den Niederlanden. Auch wenn mittlerweile vermehrt Gründe wie eine bessere Work-Life-Balance oder der Wunsch sich selber zu verwirklichen als Motivation angeführt werden, nach wie vor ist der Faktor Familie und Kinderbetreuung der weitverbreiteste Auslöser für die Reduktion des Arbeitspensums. Dies führt dazu, dass in der Schweiz beinahe 60% der Frauen zwischen 24 und 55 Jahren einer Teilzeitarbeit nachgehen. Doch was bedeutet die Wahl eines solchen Arbeitsmodells für die eigene Pensionskasse?
Die Tatsache, dass Teilzeiterwerbstätige bei den Pensionskassen häufig schlechter gestellt sind, ist auf den so genannten Koordinationsabzug zurückzuführen. Um den versicherten Lohn in der Pensionskasse festzulegen, wird der Koordinationsabzug vom effektiven Bruttolohn des Erwerbstätigen oder der Erwerbstätigen abgezogen. Begründet wird dies damit, dass ein Teil des Lohnes bereits durch die Vorsorge aus der 1. Säule, der AHV, abgedeckt ist. Der Koordinationsabzug beträgt aktuell CHF 25'095, was 7/8 einer maximalen AHV-Altersrente entspricht. Die meisten Pensionskassen verwenden diesen Abzug unabhängig vom effektiven Arbeitspensum, d.h. egal wie hoch die Lohnsumme ausfällt, immer werden CHF 25'095 abgezogen. Erhält also beispielsweise eine Person mit einem vollen Arbeitspensum einen jährlichen Bruttolohn von CHF 80'000, so sind in der Pensionskasse etwas weniger als CHF 55'000 versichert. Reduziert nun diese Person ihr Arbeitspensum auf 40% und verfügt noch über einen jährlichen Bruttolohn von CHF 32'000, so sinkt der versicherte Lohn in der Pensionskasse auf nicht einmal mehr CHF 7'000. Dies führt dazu, dass die Sparbeiträge in der Pensionskasse nicht nur der Pensumsreduktion entsprechend um 60% abnehmen, sondern sogar um fast 90% sinken. Eine massiv kleinere Altersrente (vgl. Rechenbeispiel unten) ist die Folge.
Auch wenn es von Jahr zu Jahr mehr Männer gibt, die ihr Arbeitspensum mit der Geburt ihrer Kinder reduzieren, der häufigere Fall ist weiterhin ein Teilzeiterwerb bei Müttern. Doch was bedeutet eine Pensumsreduktion konkret für die eigene Vorsorge?
Sarah Muster ist 34 Jahre alt und erwartet ihr erstes Kind. Bisher arbeitete sie in einem Vollzeitpensum; ihr Bruttojahreseinkommen beläuft sich mittlerweile auf CHF 80'000. Nach dem Mutterschaftsurlaub wird sie zu ihrer bisherigen Arbeitsstelle zurückkehren, aber nur noch bei einem 40 %-Pensum arbeiten. Dementsprechend sinkt ihr jährliches Bruttoeinkommen auf CHF 32'000.
Auf ihrem letzten Pensionskassenausweis, der natürlich noch auf dem vollen Arbeitspensum basierte, hat Sarah Muster gesehen, dass sie im Rentenalter mit einer Pensionskassen-Altersrente von knapp CHF 2'000 pro Monat rechnen kann. Da bei ihrer Pensionskasse ein fixer Koordinationsabzug (siehe Erklärung dazu im Haupttext) zur Anwendung kommt, wird ihre zukünftige Altersrente nach der Pensumsreduktion nur noch rund 500 pro Monat betragen. Dies ist ein Viertel der ursprünglich in Aussicht gestellten PK-Altersrente. Hätte ihre Pensionskasse einen Koordinationsabzug, der dem Pensum angepasst würde, läge die monatliche Altersrente immerhin noch bei mehr als CHF 950 und wäre damit fast doppelt so hoch.
Dass es auch anders - sprich teilzeitfreundlicher - geht, beweist beispielsweise die Pensionskasse Schaffhausen. Hier wird der Koordinationsabzug gemäss gültigem Reglement dem Arbeitspensum angepasst. Für eine Person, die in einem 40%-Pensum arbeitet, beträgt der Koordinationsabzug deshalb nur rund CHF 10'000 (40% von CHF 25'095). Mit Blick auf das oben angeführte Beispiel läge der versicherte Lohn also nicht bei CHF 7'000, sondern er würde mit CHF 22'000 mehr als dreimal so hoch ausfallen. Selbstverständlich führt dies für die versicherte Person auch zu grösseren Lohnabzügen, d.h. der Arbeitnehmeranteil steigt, doch da der Arbeitgeber jeweils mindestens gleich viel in die Pensionskasse einzahlt, ist es durchaus im Sinne eines Teilzeiterwerbstätigen, dass der versicherte Lohn möglichst hoch ausfällt.
Dass die aktuell gültige gesetzliche Regelung betreffend des Koordinationsabzugs zu Ungerechtigkeiten führt, ist auch der Bundespolitik bekannt. Deshalb strebt der Bundesrat im Rahmen seiner Vernehmlassungsvorlage zur Reform der beruflichen Vorsorge (BVG 21) an, den Koordinationsabzug zu halbieren. Dies würde zwar auch für Teilzeiterwerbstätige eine Verbesserung ihrer Situation bedeuten, allerdings würde die Ungleichbehandlung damit nicht wirklich korrigiert. Man darf deshalb gespannt sein, ob mit Blick auf die Vorlage im Parlament noch Anpassungen erfolgen und ob die Reform wirklich so umgesetzt werden kann.
In der Zwischenzeit sollten gerade Teilzeitmitarbeitende vor dem Antritt einer neuen Stelle einen Blick in das Pensionskassen-Reglement werfen und dieses bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers mit berücksichtigen. Während nämlich der Lohn ein wichtiges Vergleichskriterium darstellt, gehen die Vorsorgeleistungen bei der Beurteilung eines potentiellen Arbeitgebers meist vergessen. Dabei lohnt es sich durchaus zusätzlich zum Koordinationsabzug auch einen Blick auf Beitragshöhe, Umwandlungssatz und Arbeitgeberanteil zu werfen.
Auch wenn die Auswirkungen auf die Pensionskasse deutlich grösser sind, darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass mit der Pensumsreduktion auch tiefere AHV-Beiträge bezahlt werden. Dies führt in vielen Fällen zu einer tieferen AHV-Altersrente und verschärft die Vorsorgeproblematik für Teilzeiterwerbstätige zusätzlich. Selbstverständlich hängt das Ausmass der Vorsorgelücken wesentlich davon ab, wie lange das reduzierte Arbeitspensum dauert. Wenn Mütter oder Väter ihr Arbeitspensum einige Jahre nach der Geburt der Kinder bereits wieder erhöhen (können) oder wenn eine erwerbstätige Person ihr Arbeitspensum einfach wenige Jahre vor der Pensionierung zu reduzieren beginnt, so ist der Einfluss auf die Altersvorsorge deutlich geringer, als wenn der Grossteil des Erwerbstätigkeitsdaseins aus Teilzeitarbeit besteht.
Da die Beurteilung der eigenen Pensionskasse und deren Leistungen meistens recht komplex ist, empfiehlt es sich nicht nur für Teilzeiterwerbende, ihre Vorsorgesituation sorgfältig anzuschauen. Gerade im Hinblick auf die Pensionierung ist es sinnvoll, die persönliche Situation frühzeitig mit einer Fachperson zu besprechen. Auf diese Weise können Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen finanziellen Situation – beispielsweise durch freiwillige Einlagen in die Pensionskasse oder durch den Aufbau von Vorsorgeleistungen in der steuerlich begünstigen Säule 3a – bestmöglich genutzt werden.
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Hannes Wipf, Leiter Vorsorge und Finanzplanung, berät seit vielen Jahren Kundinnen und Kunden bei sämtlichen Fragen rund um die finanzielle Planung und machte sich in der Region auch bei zahlreichen Vorträgen und Seminaren einen Namen als Vorsorge- und Pensionierungsspezialist.