Was bedeutet eine mögliche Abschaffung des Eigenmietwerts?

Drei Fragen an Patrik Diggelmann, Leiter Steuer- und Erbschaftsberatung

Patrik Diggelmann, der Bundesrat unterstützt die Abschaffung des Eigenmietwerts. Was würde ein solcher Systemwechsel für Liegenschaftsbesitzer und -besitzerinnen bedeuten?

Die Vorlage will den Eigenmietwert bei selbstbewohntem Wohneigentum abschaffen. Im Gegenzug sollen die Abzugsmöglichkeiten für den Liegenschaftsunterhalt und die Schuldzinsen für die Hypotheken grundsätzlich entfallen. Gegenüber der ursprünglichen Vorlage geht der Bundesrat sogar noch einen Schritt weiter: So soll der Eigenmietwert auch bei Zweitliegenschaften wie z.B. Ferienwohnungen wegfallen. Ausserdem soll der Schuldzinsenabzug, sofern mit der Liegenschaft ein Einkommen generiert wird (z.B. bei vermieteten Liegenschaften), weiterhin möglich sein.


Wer wären die Gewinner und Verlierer einer solchen Änderung?

Profitieren würden Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen, die wenig Abzugsmöglichkeiten nutzen. Also solche, die nicht (mehr) stark verschuldet sind und keine hohen Schuldzinsen bezahlen müssen und kaum in den Unterhalt der Liegenschaft investieren. Eher zu den Verlierern eines Systemwechsels würden dementsprechend diejenigen gehören, die höhere Abzüge geltend machen können, z.B. für den Liegenschaftsunterhalt oder für Schuldzinsen. Zum Stichwort Schuldzinsen: Natürlich spielt bei der Diskussion um den Eigenmietwert das aktuelle tiefe Zinsniveau eine grosse Rolle. Steigt das Zinsniveau wieder an, können aus Gewinnern des Systemwechsels schnell Verlierer werden.


Wagen Sie eine Prognose, wie es mit dem Eigenmietwert weitergeht?

Das Thema wird aus verschiedenen Gründen immer wieder kontrovers diskutiert. Hauptsächlich, weil das aktuelle System Anreize schafft, die Hypothek nicht zurückzuzahlen, was im internationalen Vergleich zu einer überdurchschnittlich hohen Verschuldung der Privathaushalte in der Schweiz führt. Auch die Besteuerung eines fiktiven Einkommens ist für viele nicht einfach nachvollziehbar. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts ein politischer Dauerbrenner ist und schon einige Male vom Stimmvolk beurteilt wurde. Bisher hat der Eigenmietwert sich in der Steuerlandschaft aber hartnäckig gehalten, was sicherlich auch an den teilweise unausgewogenen Vorlagen in der Vergangenheit lag.

Fest steht, bei diesem Thema treffen viele unterschiedliche Interessen aufeinander: Wie werden die fehlenden Steuereinnahmen ausgeglichen, die ein Systemwechsel beim aktuell tiefen Zinsniveau zur Folge hätte? Werden Bergkantone entschädigt, bei denen überdurchschnittlich hohe Steuereinnahmen wegfallen würden, wenn die Eigenmietwerte von Ferienwohnungen nicht mehr versteuert werden müssen? Es wird interessant werden, ob die anstehende parlamentarische Debatte mehrheitsfähige Antworten auf diese Fragen findet, und die Vorlage im Gleichgewicht halten kann. Aus meiner Sicht hat die Abschaffung des Eigenmietwerts nur dann eine Chance.


Gut zu wissen: Was ist eigentlich der Eigenmietwert?

In der Schweiz muss der Vermögensertrag grundsätzlich als Einkommen versteuert werden. So werden z.B. Dividenden von Aktien oder Zinsen von Obligationen von der Einkommenssteuer erfasst. Auch Mieteinnahmen aus vermieteten Liegenschaften müssen in der Steuererklärung als Einkommen deklariert werden.

Wird die Liegenschaft selbst genutzt, fliesst zwar kein Einkommen, für die Selbstnutzung des Wohneigentums muss aber ein fiktives Einkommen in Form des Eigenmietwerts versteuert werden. Die Idee dahinter: Eigenheimbesitzer und Eigenheimbesitzerinnen zahlen keine Miete und dieser Vorteil wird mit dem Eigenmietwert steuerlich erfasst. Sie haben zwar auch Auslagen, wie z.B. Hypothekarzinsen oder Liegenschaftsunterhaltskosten, können diese aber dafür steuerlich in Abzug bringen. Die Höhe des Eigenmietwerts wird durch das zuständige Amt geschätzt und aus Gründen der Wohneigentumsförderung in der Regel nur mit 60 bis 70 Prozent der Marktmiete festgesetzt.


---
Patrik Diggelmann ist Leiter Steuer- und Erbschaftsberatung bei der Schaffhauser Kantonalbank. Er berät mit seinem Team in Fragen zu Steuern, Vermögensnachfolge und zum Vorsorgeauftrag.

Veröffentlicht am 23. September 2021

 

Zurück zum Magazin

Patrik Diggelmann - Leiter Steuer- und Erbschaftsberatung

Patrik Diggelmann, Leiter Steuer- und Erbschaftsberatung