«Einen kühlen Kopf bewahren und investiert bleiben»

Drei Fragen an Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center

Das Investment Center der Schaffhauser Kantonalbank ist verantwortlich für die Einschätzung der internationalen Finanzmärkte und verwaltet Kundenvermögen. Abteilungsleiter Matthias Baumgartner analysiert in seiner Retrospektive 2024 und gibt einen Ausblick auf das Anlagejahr 2025.

Magazin 3 Fragen an Matthias Baumgartner

Das Jahr 2024 war für Anlegerinnen und Anleger ein ausgezeichnetes Jahr. Haben Sie im Vorfeld mit dieser Entwicklung gerechnet?

 

Wir haben in einer Retrospektive unsere Hypothesen für das vergangene Jahr einer Prüfung unterzogen. In den USA sprach man 2023 von einer anstehenden Rezession. Wir haben dies von Anfang an ausgeschlossen. Mit einem derart starken Wachstum, wie es dann tatsächlich eingetroffen ist, haben wir im Vorfeld jedoch nicht gerechnet. Richtig war unsere Annahme, dass von China 2024 nur verhaltene wirtschaftliche Wachstumsimpulse eintreffen werden. Dort gab es eine fundierte Vertrauenskrise, nachdem die Immobilienblase zu stark aufgeblasen wurde. In Europa hatten wir geringe Erwartungen an die Wirtschaft. Auch damit lagen wir richtig, vor allem mit dem Blick nach Deutschland gerichtet, wo im Nachhinein eine Rezession festgestellt wurde. Überrascht haben Länder wie Italien, Portugal oder Griechenland.

Was die Inflation anbelangt, waren wir überzeugt von der Wirkung des eingeschlagenen Kurses der Zentralbanken bezüglich Geldpolitik. Es hat sich schliesslich im Lauf des Jahres gezeigt, dass die Teuerungssraten nahezu weltweit wieder gesunken sind. Wir gingen aufgrund der Wirkung der restriktiven Geldpolitik zudem von sinkenden Zinsen aus, was sich besonders in der Schweiz bewahrheitet hat.

Insgesamt betrachtet war das Umfeld für Anlagen 2024 generell freundlich, aber die regionalen Unterschiede waren frappant. Profitieren konnte, wer breit diversifiziert investiert war – das ist aus unserer Sicht immer die beste Ausgangslage.

Wie gehen Sie punktuell mit Krisen um, welche die Finanzmärkte tangieren?

 

Wir fragen uns bei jeder Krise oder Änderung der aktuellen Marktsituation, ob sich durch das Ereignis oder entsprechende Hintergründe etwas Grundlegendes an unserem skizzierten Basisszenario ändert. Sofern keine allzu einschneidenden Konsequenzen zu erwarten sind, halten wir an der aktuellen Anlagestrategie fest. Das raten wir generell auch Anlegerinnen und Anlegern: Einen kühlen Kopf bewahren, Geduld und Disziplin haben und investiert bleiben. Anlegen ist keine kurzfristige Entscheidung, sondern folgt im Idealfall einer langfristigen Strategie. Bei Unsicherheiten am Markt reagieren wir jeweils rasch mit einer Situationsanalyse für unsere Kundschaft und versenden ein punktuelles Update zu unserer Einschätzung namens «Im Fokus».

Grundsätzlich ist es normal, dass es in einem Bullenmarkt – also in einer Zeit des Aufschwungs an den Finanzmärkten –, wie er derzeit vorherrschend ist und auch im letzten Jahr war, mehrere Rücksetzer von bis zu zehn Prozent gibt. Als Beispiel ist 2024 eine Phase Anfang August zu nennen, in der relativ starke Kurseinbussen zu verzeichnen waren. Grund dafür waren die aufgrund der Ferienzeit dünn besetzten Handelstische in Kombination mit dem auslösenden Ereignis, der plötzlichen Aufwertung des japanischen Yen. Um Yen-Kredite zu decken und an neues Kapital zu gelangen, wurden vor allem in den USA flächendeckend Tech-Aktien verkauft. In den kommenden Tagen ist dieses Ereignis wie eine Schockwelle über die weltweiten Finanzmärkte gezogen. Innert wenigen Wochen war bereits eine Erholung sichtbar.

Wie gestaltet sich der Ausblick auf das Anlagejahr 2025?

 

Um eine Prognose erstellen zu können, müssen zuerst einige wichtige Themen eingeordnet werden. Eine Fragestellung ist, was die neue US-Regierung für die Finanzmärkte bedeutet. Welche Massnahmen Präsident Trump tatsächlich umsetzen kann und in welcher Strenge, wird für das Wachstum und den Inflationstrend in den USA entscheidend sein.

Hinzu könnten Minuszinsen kommen, die in der Schweiz seit kurzer Zeit wieder zum Thema geworden sind. Die Markterwartung geht von weiter sinkenden Zinsen aus, die in der zweiten Jahreshälfte ihren Tiefpunkt finden, wobei mit einer Erreichung des aktuellen Stands erst ab 2029 zu rechnen ist. Daher benötigen Schweizerinnen und Schweizer andere Optionen als ausschliesslich eine Sparkontoeinlage, um in den nächsten Jahren von real positiven Erträgen zu profitieren.

Für das Anlagejahr 2025 spielt aber nicht nur der Schweizer Zinsmarkt eine tragende Rolle, sondern auch die Leitzinsen beispielsweise in den USA und in Europa. Die jeweiligen Zentralbanken haben bei den Zinssenkungen noch einiges an Spielraum übrig und ihre Entscheidungen können die Finanzmärkte weiter beeinflussen.

Zusammenfassend betrachtet: Wir erwarten für 2025 ein weltweites Wirtschaftswachstum im Rahmen der langfristigen Potenziale, wobei die regionalen Unterschiede erneut gross sein werden. Die USA werden konjunkturell beispielsweise stärker wachsen als Europa. Die reale Umsetzung der politischen Ankündigungen wird hinter den Schlagzeilen zurückbleiben, vor allem in den USA. Wir rechnen weiter mit weltweit sinkenden Zinsen und können auch in der Schweiz Negativzinsen noch nicht gänzlich ausschliessen. Solides Wachstum bei den Unternehmensgewinnen und der Mangel an profitablen Zinsalternativen rücken die Aktienmärkte für ein Investment weiter in den Fokus. Dennoch erwarten wir nicht die gleichen Zuwächse wie 2024, sondern ein Börsenjahr im langfristigen Durchschnitt, das bedeutet Kurssteigerungen im Bereich von fünf bis zehn Prozent. 

Matthias Baumgartner

ist seit über 25 Jahren bei der Schaffhauser Kantonalbank und leitet das Investment Center. Seine Abteilung umfasst 12 Spezialistinnen und Spezialisten, die unter anderem die Vermögensverwaltungsmandate unserer Kundinnen sowie Kunden betreuen und die Märkte analysieren und basierend darauf die Anlagepolitik der Bank festlegen.

Matthias Baumgartner Portrait

Veröffentlicht am 31. Janaur 2025